Hebamme auf Weltreise

Seit September 2018 bin ich mit meinem Ehemann auf Weltreise. Um unseren Traum zu verwirklichen hat mein Ehemann seinen Job gekündigt und ich mir ein Jahr Ausszeit genommen. Dank der steigenden Geburtenrate muss ich mir um einen Wiedereinstieg oder zu wenig Arbeit keine Sorgen machen. Kommenden August werden wir nach fast 12 Monaten wieder nach Deutschland zurückkehren.

So eine lange Reise prägt nicht nur mich als Mensch, sondern auch mich als Hebamme.

Sechs Jahre lang habe ich als angestellte Hebamme im Kreißsaal erst in Berlin (1700 Geburten jährlich) und zuletzt in Stuttgart (2700 Geburten jährlich) im Schichtdienst gearbeitet. Nebenher habe ich freiberuflich Kurse geleitet und Familien während der Schwangerschaft und im Wochenbett begleitet.

Meinen Herzenswunsch habe ich mir 2016 erfüllt. Seitdem arbeite ich als freiberufliche Hebamme in der Hebammenpraxis und Geburtshaus Stuttgart-Mitte. Zusammen mit meinen Kolleginnen begleiten wir jährlich insgesamt rund 100 Haus- und Geburtshausgeburten.

Bei uns haben Frauen und Paare die Möglichkeit selbstbestimmt in einer geschützten Atmosphäre zu gebären. Um dies zu gewährleisten übernimmt jede Hebamme ca. zehn 24 Stunden Rufbereitschaften pro Monat. Dadurch sind wir drei Wochen vor und zwei Wochen nach dem errechneten Entbindungstermin für die Paare rund um die Uhr erreichbar. Die Betreuung während der Schwangerschaft und über die Geburt hinaus ist bei uns mit eingeschlossen.

Kulturelle Unterschiede

Das Aufregende am Reisen sind die Begegnungen mit neuen Menschen. Wir haben in den letzten 11 Monaten 13 Länder bereist und währenddessen viele Menschen kennengelernt. In kurzen und langen Gesprächen mit Einheimischen habe ich viel über andere Kulturen erfahren und dazugelernt.

Im Gespräch wurde mir oft die Frage gestellt „Was machst du beruflich?“. Meine Antwort zaubert dann den meisten Menschen ein Lächeln ins Gesicht. Darauf folgt meistens prompt eine Beglückwünschung zu meiner Berufswahl und viele Fragen über die Arbeit als Hebamme in Deutschland. Ich erzähle gerne über meinen Beruf und höre gerne wie das Betreuungsmodell rund um die Geburt in anderen Ländern aussieht. Auch wenn ich aktuell mein Hebammenhandwerk nicht ausführe, so habe ich mein Hebammenherz mit auf Reisen.

Ich kann auf viele kurze und lange Gespräche zurückblicken. Manchmal wurde ich um Rat gefragt, manchmal wurden mir persönliche Geburtserlebnisse erzählt. Immer wieder kam der Vergleich zwischen gebären in Deutschland und gebären im Ausland auf. Den Kontrasten. Den Möglichkeiten. Den Standards.

Egal welches Land wir bereist haben, die Unterschiede sind groß. In der Schwangerenvorsorge, während der Geburt und im Wochenbett.

In den meisten Teilen Australiens gehen Frauen zur Geburt in die Klinik. Je nach Art der Krankenversicherung mit mehr oder weniger Betreuung durch die Hebamme.

In Neuseeland oder den USA ist es ähnlich wie in Deutschland. Die meisten Frauen gehen zum gebären in die Klinik, haben jedoch die Möglichkeit zu einer außerklinischen Geburt. In Neuseeland spielt eine Hebamme bei der klinischen Geburt eine wichtige Rolle, in den USA wird die klinische Geburt durch einen Arzt geleitet. Die Verfügbarkeit von Hausgeburtshebammen in den USA variiert je nach Bundesstaat sehr. So groß wie der Hebammenmangel in Oklahoma ist, so viele Hebammen gibt es in Bundesstaat Washington. Dort kann sich eine Frau meist eine aus mehreren Hausgeburtshebammen aussuchen.

In Belize dagegen herrscht so eine hohe Armut, dass sich die Frage des Geburtsortes oft gar nicht stellt.

Im Hochland Vietnams bleibt man zum gebären in seinem geschützten Umfeld zu Hause, begleitet durch eine Hebamme.

In Thailand gehen Frauen zur Geburt in die Klinik, um dort in einem Raum mit bis zu fünf anderen Frauen, nur durch einen Vorhang getrennt, unter ärztlicher Leitung zu gebären.

Ob in Belize, Vietnam oder Thailand: die Frauen gebären in der Regel „dort“, weil man das eben „dort“ macht und es keine andere Möglichkeit gibt. Keine Wahl.

Selbst und informiert entscheiden ist ein Menschenrecht

Leider ist es auch in Deutschland so, dass sich die meisten werdenden Eltern überhaupt nicht die Frage stellen, wo sie gebären möchten. Oftmals weil sie schlichtweg nicht wissen, dass sie eine Wahl haben. Da 98% der Geburten in Deutschland in der Klinik stattfinden auch nicht weiter verwunderlich.

Jede in Deutschland betreute Haus- und Geburtshausgeburt wird bei der „Gesellschaft für Qualität in der außerklinischen Geburtshilfe e.V.“ anonym und schriftlich erfasst. Die daraus erhobene Statistik zeigt jedes Jahr aufs Neue, wie sicher eine außerklinische Geburt für Mutter und Kind ist. Auch im Vergleich mit anderen Ländern sieht man, dass eine Geburt am besten verläuft, wenn der Wille der Frau berücksichtigt wird.

Als Hebamme weiß ich demnach wie wichtig es ist, dass eine Frau selbstbestimmt entscheidet und ihr Wille in ihre Betreuung mit einfließt.

Ich wünsche mir, dass jede gesunde Schwangere um ihre Möglichkeiten der freien Wahl des Geburtsortes weiß. Mehr noch wünsche ich mir, dass jede Frau auf den Fakten basierend neutral informiert wird, um daraus eine selbstbestimme Entscheidung treffen zu können. Nicht nur in Bezug auf den Geburtsort, sondern in allen Bereichen.

Geburt ist etwas Natürliches

Wenn ich Menschen auf Reisen erzähle, dass ich eine Hausgeburtshebamme bin, werde ich oft gefragt, warum nicht alle Frauen zur Geburt nicht in die Klinik gehen.

Geburt ist ein gesundes, ursprüngliches, intimes und sehr kraftvolles Geschehen. Jede Frau kann gebären. Jedoch ist jede Frau individuell anders. Deshalb darf es kein Richtig und kein Falsch geben. Vor allem sollte niemand für die Frau und das Paar entscheiden wo sie gebären soll. Meine Antwort ist demnach stets, dass jede gesunde Frau und jedes Paar die Möglichkeit haben sollte, dort zu gebären wo sie es sich wünschen und nicht wo es unsere Gesellschaft für „richtig“ empfindet.

Herausforderungen für Hebammen in Deutschland

In den letzten 11 Monaten hat sich an den Herausforderungen einer Hebamme nichts verbessert.

Im Durchschnitt arbeitet eine Hebamme 4-5 Jahre in ihrem Beruf. Viele steigen nach so kurzer Zeit aus, obwohl sie ihren Beruf mögen. Gründe hierfür sind zum Beispiel das hohe Arbeitsaufkommen einer jeden Hebamme, die familienunfreundlichen Arbeitszeiten, die hohe Verantwortung, die jährlich steigenden hohen Berufshaftpflichtkosten, die steigenden Klagen gegen Hebammen, die schlechte Vergügtung im Verhältnis zu dem was wir leisten – je mehr Zeit sich z.B. eine Hebamme bei einem Wochenbettbesuch nimmt, je unwirtschaftlicher arbeitet sie.

Das deutsche Gesundheitssystem stellt ebenfalls einige Herausforderungen, die uns unsere Arbeit schwerer macht. Sie legt z.B. den Umfang der Fortbildungspflicht fest und verpflichtet jede freiberuflich arbeitende Hebamme zu einem nachweisbaren und umfangreichen Qualitätsmanagement. Seit Januar 2019 wird dieses vom GKV (gesetzliche Krankenversicherung) stichprobenartig geprüft. Das kostet viel Zeit und Energie. Des Weiteren legt der Krankenkassenverband unsere Arbeitspauschalen fest. Trotz jährlich steigender Kosten für eine freiberufliche Hebamme werden diese Pauschalen nur wenig und nicht ausreichend angehoben. Vor allem die Vergütung eines Wochenbettbesuches ist wirtschaftlich gesehen wenig rentabel. Mit ein Grund warum in Deutschland vor allem Hebammen für die Wochenbettbetreuung fehlen. Daran muss sich in Zukunft dringend etwas ändern. Dennoch bin ich froh, dass ich als Hebamme in Deutschland die Möglichkeit habe, Paare meist bis zu 8 Wochen nach der Geburt zu Hause zu begleiten. In vielen Ländern gibt es keine häusliche Hebammenbetreuung. Ansprechpartner sind hier die Kinderarzt- und Frauenarztpraxis. Soweit darf es in Deutschland nicht kommen.

Das Ende unserer Weltreise naht

Ab September werde ich wieder als Hebamme im Geburtshaus arbeiten. Das Jahr reisen tat mir sehr gut, auch um durchzuatmen und Abstand von den oft deprimierenden Zuständen zu gewinnen.

Mit gemischten Gefühlen komme ich zurück und hoffe, dass wir in Zukunft etwas an der Situation der Hebammen ändern können.

Durch Midiaid stark machen

Ich blogge für Midiaid, um Deutschland bewusst zu machen, was wir Hebammen leisten und wie wichtig unser Beruf ist. Er muss wieder attraktiver werden, damit auch die Mamas der zukünftigen Generationen in den Genuss einer natürlichen, selbstbestimmten Geburt kommen.

Die Midiaid App und Hebammensuche bietet Hebammen wie Schwangeren die Möglichkeit zusammen laut zu werden. Es ist ein innovatives und einfaches Tool um schneller mit einer Hebamme in Kontakt zu kommen. Mir als Hebamme bietet Midiaid die Möglichkeit effektiver und schneller administrative Arbeit zu erledigen. Dir als Schwangere bietet Midiaid die Möglichkeit durch wenige Schritte und daher wenig Zeitaufwand eine Hebamme zu finden.

Lasst uns gemeinsam stark sein! Macht mit bei Midiaid!

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Freiberufliche Hebamme im Geburtshaus Stuttgart-Mitte und Weltreisende